„Von den Toten lernen!“
27 Jahre Erfahrung und über 15.000 Einsätze an Tatorten haben Marcell geprägt. Wie verarbeitet er das Erlebte? Und was bedeutet es für sein Leben? In den Podcasts „Todesursache“, seinen Videos „Tatort Leben“, in seinem Buch und mit dem neuen Bühnenprogramm 2022 lässt er andere Menschen an seinen Erlebnissen teilhaben. Im Interview gibt er Einblicke, wie Einsätze an Tatorten seinen Blick auf das Leben verändert haben und was der Antrieb ist, dies mit Anderen zu teilen.
Du hast bei deinen Tatortreinigungen viel erlebt und zum Teil furchtbare Bilder gesehen. Dahinter verbergen sich immer menschliche Schicksale. Wie bist du darauf gekommen, darüber Podcasts zu produzieren?
„Wenn ich einen Tatort reinige, bedeutet das viel mehr als das reine Wegputzen von Spuren. Oftmals verbirgt sich dahinter die Fährte eines ganzen Lebens. Ich dringe quasi in die Tiefen des Lebens eines Menschen ein, indem ich die Spuren wegräume. Inzwischen habe ich mich regelrecht zum Spurenleser entwickelt. Vor Ort treffe ich auf Bilder und auch Gerüche, die sich einbrennen. Das lässt mich auch nach all den Jahren, die ich das mache, nicht kalt. Vielmehr ermöglicht mir das einen anderen Blickwinkel auf mein eigenes Leben. Denn wir werden Experten, wenn wir uns für etwas interessieren und uns damit intensiv auseinandersetzen. Das heißt im Klartext: Aus dem Leben vor dem Tod lernen und aus dem Gelernten das Leben meistern. In meinen Podcasts berichte ich schonungslos und anschaulich davon. Begleitet sind diese Erzählungen natürlich von den Gefühlen, die diese Erlebnisse ausgelöst haben. Und was sie für meinen Lebensweg bedeuten. Dazu gehören Fragen wie „Was ist wirklich wichtig?“ und „Was bedeutet für mich Zufriedenheit?“.
Hast du dadurch ein ganz eigenes Mindset entwickelt?
„Ja, das ist überhaupt das Entscheidende. Ich bin an den Tatorten ins Nachdenken gekommen. Die zentrale Frage, die sich mir gestellt hat, ist „Was lernen wir von den Toten?“ Es macht mir immer wieder die Vergänglichkeit deutlich und vor allem, dass wir nur ein Leben haben. Ich ertappe mich selbst dabei, dass ich mitunter lebe, als ob es zwei Leben gibt und muss mir bewusst machen, dass dies nicht so ist. Das bestätigen mir übrigens auch Menschen aus meinem Umfeld und meine Follower in den sozialen Netzwerken. Zeit und der achtsame Umgang damit, ist ein wichtiger Faktor.
Und dabei habe ich eine weitere spannende Entdeckung gemacht.“
Welche ist das?
„Der Perspektivwechsel. Indem ich an Tatorten quasi ein ganzes Leben wegräume, gewinne ich natürlich auch Einblicke in das Leben dieses Menschen. Wie hat er gelebt? War er glücklich? Ich empfinde es als bereichernd, den Blickwinkel zu verstellen und mich darauf einzulassen. Meine Überzeugung ist, dass, wenn wir die Sichtweise unseres Gegenübers – des Kollegen, Vorgesetzen oder Partners – verstehen und akzeptieren, uns das zufriedener macht.
Das ist eine Erkenntnis von vielen. In Gesprächen merkte ich, wie groß das Interesse an diesen Themen ist und so kam auf die Idee, meine Gedanken und Impulse zu teilen.“
Sind so die Podcasts und Videos entstanden?
„Ja, das kann man so sagen. Ich begann mit den Videoproducern, mit denen ich sehr eng zusammenarbeite, zunächst Podcasts und dann auch Videos zu entwickeln. In den Podcasts „Todesursache“ und Videos „Tatort Leben“ schildere und zeige ich ausgewählte Tatorte, beleuchte Hintergründe und habe hin und wieder auch einen Gast, mit dem ich unterschiedliche Facetten des Gezeigten und Erlebten bespreche. Auf meinen Social-Media-Kanälen Facebook und Instagram trete ich auch gern einmal in den Dialog mit meinen Fans. So ist die Nachfrage ständig gewachsen und es hat eine dynamische Entwicklung eingesetzt, die mich dazu inspiriert hat, mein erstes Buch zu schreiben.“
Worum geht es in deinem Buch „Die 7 Prinzipien des Tatortreinigers“?
„Ich schildere sieben eindrückliche Tatorte und nehme die Hintergründe von Gewalt und Zerstörung sowie von menschlichen Schicksalen unter die Lupe. Da geht es beispielsweise um Fragen wie „Was zählt wirklich im Leben?“ und „Was können wir für uns mitnehmen?“
Ich beschreibe dann meine persönlichen Erkenntnisse und sieben Prinzipien daraus, wie beispielsweise „Lass dich nicht vom Schmerz beherrschen“ und „Beziehungen sind das, was bleibt“. Alle Prinzipien haben eines gemeinsam: Sie bieten Lösungsangebote, wie eine Befreiung aus scheinbar ausweglosen Situationen und beherrschenden Gefühlswelten möglich ist. Da sind wir dann wieder bei dem Kernthema, denn ich lade dazu ein, einmal die Perspektive zu wechseln und Neues zu wagen. Denn so werden Veränderungen in allen Lebensbereichen möglich.“
Bald bist du auch mit einem eigenen Programm auf der Bühne präsent. Wie sieht das aus?
„Mein Hauptanliegen – das Mindset – zieht sich wie ein roter Faden auch durch mein Bühnenprogramm. Im Übrigen hat mir Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht, sonst wäre ich schon in diesem Jahr in etlichen Großstädten auf der Bühne zu sehen gewesen. Ich bin allerdings grundsätzlich ein sehr neugieriger Mensch und so habe ich vor kurzem zu einer Vorpremiere in Frankfurt eingeladen. Die Gewinner einer Verlosaktion auf meinen Facebook- und Instagram Kanälen konnten an der Veranstaltung teilnehmen. Das Echo hat mich überwältigt und ich habe erneut festgestellt, dass ich über Themen spreche, die die Menschen bewegen.“
Die Live-Tour heißt „Der Tod und andere Glücksfälle“ – Jede Sekunde zählt. Was verbirgt sich dahinter?
„Ich präsentiere meinen Zuschauern „True Crime“- Geschichten in Verbindung mit neuen unerwarteten Betrachtungen. Zum Beispiel was wir vor dem Tod für das Leben lernen können. Der Perspektivwechsel auf den eigenen „Lebenstatort“ macht positive Veränderungen möglich. Wer aktiv ins Handeln kommt, Ziele verfolgt, sich auf das Wesentliche fokussiert und sich auf Neues einlässt – der wird zum Gewinner seines Lebens. Das gilt für alle Lebensbereiche – privat und beruflich.“
Über die Bühne hinaus vermittelst du diese Inhalte auch als Keynote-Speaker. Wen sprichst du da an?
„Ich biete für Unternehmer und Führungskräfte sowie für Firmen und alle Interessierte Vorträge, Podiumsdiskussionen und weitere Veranstaltungen an. Das Format stimme ich individuell ab. Genau wie die Inhalte. Themengebiete sind dabei etwa Selbstachtsamkeit, Erfolg, Glück, Lebenschancen und Lebensrealität. Das Spektrum ist breitgefächert und wird auf die Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe zugeschnitten. Die Zielsetzung heißt: Anstoßen und bewegen. Einer meiner persönlichen Leitgedanken ist „Wir sind und werden, was wir denken“. Und der spiegelt sich in all meinen Aktivitäten und Formaten wider. Und trifft den Nerv der Zeit, wie ich immer wieder feststelle!“
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