Warum werden manche Menschen süchtig und andere nicht?
Jemand, der regelmäßig etwas konsumiert, muss nicht automatisch abhängig davon sein. Es gibt zum Beispiel Menschen, die über einen gewissen Zeitraum mehrmals die Woche Alkohol trinken, es aber dann wieder für Monate sein lassen können. Oder solche, die sich stundenlang mit einem neuen Computerspiel beschäftigen, aber ab dann keine Lust mehr darauf haben und es nicht weiter verfolgen.
Ob jemand anfällig für eine Sucht ist, unterscheidet sich von Mensch zu Mensch. Hier spielen die Erbanlagen, die psychische Gesundheit und das soziale Umfeld eine Rolle. Es gibt Personen, die ein erhöhtes Risiko haben, eine Sucht zu entwickeln, und andere, bei denen diese nicht so hoch ist.
Was begünstigt die Entstehung einer Sucht?
Es gibt unterschiedliche Risikofaktoren, die eine Sucht begünstigen.
Dazu zählen beispielsweise:
- Liegt eine erbliche Belastung vor – waren die Eltern z. B. suchtkrank oder betrifft es noch andere Familienmitglieder?
- Wurden die Substanzen schon als Jugendlicher konsumiert?
- Wird der Substanzkonsum als etwas Normales gesehen?
- Gibt es eine Vorgeschichte bezüglich Stressbelastung, Leistungsdruck und Überforderungssituationen, Schmerzzuständen oder Schlafstörungen?
Ein Faktor, der oft außer Acht gelassen wird, ist das soziale Umfeld. Dieses spielt eine große Rolle, wenn es um die Entstehung einer Sucht geht. Gibt es in der Familie Menschen mit einer Substanzgebrauchsstörung oder befürworten die Eltern oder der Partner gar das Suchtverhalten und animieren dazu, hat dies einen Einfluss auf das eigene Verhalten. Das lässt sich häufig bei älteren Jugendlichen oder jungen Erwachsenen beobachten, die von anderen aus ihrem sozialen Umfeld geradezu aufgefordert werden, doch jetzt ein Glas mitzutrinken oder am Joint zu ziehen. Auch tendieren Kinder in Familien, in denen mindestens ein Elternteil raucht, oft dazu, selbst zu Rauchern zu werden. Sind die Substanzen dann noch leicht verfügbar und gibt es Freunde, die ebenfalls konsumieren, sind das alles Risikofaktoren für eine Sucht.
Auch die eigene Psyche spielt eine Rolle. Menschen, die sich in einem Ausnahmezustand befinden, wie einer Trennung, einem Todesfall, Jobverlust oder anderen belastenden Situationen, haben ein höheres Risiko, übermäßig zu konsumieren. Sie wollen häufig durch ihren Konsum dem Alltag entfliehen und ihre Probleme – zumindest für eine gewisse Zeit – beiseiteschieben. Allgemeine psychische Erkrankungen und Auffälligkeiten, wie Angststörungen, Depressionen, ADHS usw. können ebenfalls Risikofaktoren für einen übermäßigen Konsum bzw. eine Sucht darstellen, da die Betroffenen oft nicht wissen, wie sie ihren Alltag gestalten sollen. Durch die Überforderung greifen sie schneller zu beruhigenden Substanzen, die ihnen helfen, durch den Tag zu kommen und entwickeln dabei schleichend ein Suchtverhalten.
Ist die Tendenz zur Sucht genetisch veranlagt?
Es gibt keinen Menschen, der ausschließlich aufgrund seiner Gene süchtig wird. Ebenso wenig wie das Umfeld allein darüber entscheidet, ob jemand dem Alkohol verfällt oder kokainabhängig wird. Sowohl die Umwelt als auch die Gene haben Einfluss auf das Verhalten. Wie so oft liegt die Wahrheit also irgendwo dazwischen.
Gene und Umwelt können jedoch nicht völlig losgelöst voneinander betrachtet werden. Sie interagieren miteinander und bedingen einander. In der Praxis heißt das, dass eine Person mit einem genetischen Risiko sensibler auf Einflüsse von außen reagiert. Auch suchen sich Menschen aufgrund ihrer Gene womöglich genau diese problematischen Umfelder aus. Jugendliche freunden sich bewusst oder unbewusst mit Gleichaltrigen an, die dem Drogenkonsum gegenüber aufgeschlossen sind.
Gehen wir noch einmal tiefer in die Thematik der Gene. Hirnforscher haben herausgefunden, dass das individuelle Risiko, eine Sucht zu entwickeln, auch von den Genen bestimmt wird. Es gibt Varianten im Genom, die das Belohnungssystem im Gehirn beeinflussen und damit das Verhalten. In einer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Studie konnte Prof. Christian Büchel mit seinem Forscherteam offenlegen, dass das Gehirn von Menschen mit bestimmten Genvarianten nur schwach auf Belohnungen reagiert. Bei diesen Personen war ein ausgeprägtes Verlangen nach ständig neuen Reizen zu beobachten.
Büchel und sein Team entdeckten Genvarianten, die zu einer geringeren Belohnungsintensität führen und damit möglicherweise Suchtverhalten fördern. Versuchspersonen, die diese Varianten in ihrem Erbgut tragen, wiesen in einem psychologischen Test hohe Werte für ein Persönlichkeitsmerkmal auf, das auch bei Suchtkranken beobachtet wird – das sogenannte Sensation Seeking. Menschen mit dieser Eigenschaft suchen oft nach neuen und aufregenden Reizen.
Bei einigen Substanzen scheint die genetische Veranlagung tatsächlich einen direkten Einfluss zu haben. Mithilfe der Molekulargenetik haben es verschiedene Teams von Wissenschaftlern bereits im Jahr 2007 geschafft, unter etwa 22.500 menschlichen Genen einige bestimmte Gene zu identifizieren, die bei der Entstehung der Nikotinabhängigkeit eine entscheidende Rolle spielen. Raucher, die einen bestimmten Typ des Gens in sich hatten, konsumierten deutlich mehr als Raucher mit anderen Varianten des Gens.
Die gleiche Genvariante, die zu einem erhöhten Nikotinkonsum führte, stand auch mit dem Vorhandensein einer Alkohol- oder Kokainabhängigkeit im Zusammenhang. Die Genetik ist also Teil verantwortlich dafür, ob bestimmte Substanzen mehr konsumiert werden und sich dadurch leichter eine Sucht entwickelt.
Wie lässt sich eine Sucht feststellen?
Oft bleibt eine Sucht zunächst unentdeckt. Das liegt daran, dass sie sich schleichend entwickelt und die Betroffenen aus Scham versuchen, diese zu verbergen. Wir kennen vielleicht Alkoholiker, die überall in der Wohnung Flaschen verstecken, damit ihre Sucht nicht direkt offensichtlich wird oder Spielsüchtige, die nach außen hin einen gewissen Lebensstandard aufrechterhalten, obwohl sie finanziell am Ende sind.
Gestehen sich die Menschen nicht ein, dass sie tatsächlich süchtig sind, wird es für Außenstehende schwer, das zu erkennen. Doch manchmal scheint einem das eigene Verhalten auch normal und man merkt selbst gar nicht, dass man bereits eine Sucht entwickelt hat.
Die WHO hat einige Kriterien aufgestellt, mit denen du überprüfen kannst, ob du ein problematisches Konsumverhalten an den Tag legst. In erster Linie beziehen sich diese auf die Abhängigkeit von Substanz, können in Teilen aber auch bei einer Verhaltenssucht auftreten.
- Der starke und zwanghafte Wunsch, die Substanz zu konsumieren.
- Eine verminderte Kontrollfähigkeit in Bezug auf Beginn, Beendigung und Menge des Konsums.
- Es kommt zu körperlichen Entzugserscheinungen bei Beendigung oder Verminderung des Konsums.
- Es entwickelt sich eine Toleranz – die Wirkung der Substanz nimmt ab, da sich der Körper daran gewöhnt. In der Folge muss für die gleiche Wirkung mehr konsumiert werden.
- Fortschreitende Vernachlässigung von Interessen und Verpflichtungen zugunsten des Konsums, z. B. häufiges Fehlen am Arbeitsplatz, Verlust von Freunden.
- Der Konsum hält an, obwohl dadurch bereits Schäden eingetreten sind – Stichwort: Raucherbein.
Erkennst du bei dir das ein oder andere Anzeichen? Mache jetzt unseren kostenlosen Selbsttest zu deinem Konsumverhalten.